Systemrelevant, selbstkritisch, sympathisch:
Geoökologie-Alumnus Stefan Dürr zu Gast beim Unijubiläum
Sa. 18.07.2015 (15:00-16:30)Stefan Dürr leitet die Agrar-Unternehmensgruppe Ekoniva, die wie Gazprom zu den 199 als „systemrelevant“ eingestuften Firmen in Russland zählt. Sie bewirtschaftet 196000 Hektar Land an sechs Standorten, von den Schwarzerdegebieten bei Kursk nahe der Grenze zur Ukraine bis nach Novosibirsk. 24000 Kühe geben hier täglich 530 Tonnen Milch und machen den Unternehmer zum größten Milchproduzenten des Landes. Sein langjähriges Engagement für die deutsch-russischen Beziehungen in der Landwirtschaft wurde 2009 mit dem Bundesverdienstkreuz gewürdigt. Im Juli ist Stefan Dürr der Einladung der Universität gefolgt und feierte ihr 40. Jubiläum mit, knapp drei Jahrzehnte nachdem er selbst zum Studium der Geoökologie nach Bayreuth kam.
Nach EU-Kommissar Günther Oettinger und Parlamentarischer Staatssekretärin Anette Kramme hielt er am Samstag den dritten und letzten der Eröffnungsvorträge. Er berichtete von der Entwicklung des jungen Unternehmens in den turbulenten Umbruchsjahren nach dem Fall des „Eisernen Vorhangs“, vom Landmaschinenhandel bis zum heutigen Standbein Agrarwirtschaft. Computergestütztes „Precision Farming“ ist hier bei Feldflächen von 100-300 Hektar unverzichtbar, das Melken durch Roboter wird getestet. Russische Kuhställe haben häufiger einen Internetanschluss als die deutschen, lernten die Zuhörer. Äußerst spannend waren die Innenansichten zur politischen Lage in Russland und die Einschätzung der Ukrainekrise – ein schwer zu ertragender Zustand für jemand, der in beiden Ländern zu Hause ist.
Nur ein Bruchteil der Einzelbetriebe von Ekoniva betreibt ökologischen Landbau, der Einsatz von Herbiziden wie Glyphosat ist die Regel. Bei der Diskussionsrunde mit Studierenden und Dozenten der Geoökologie am Nachmittag im Glashaus gab Stefan Dürr offen zu, dass er als Student mit so jemandem wie sich selbst keinen Kaffee getrunken hätte. Er verband das Studium mit einer Lehre in der Landwirtschaft: das bedeutete früh morgens melken, dann von Stockau an die Universität zur Vorlesung radeln – ein volles Programm. Nach Russland ging er als erster westdeutscher Trainee 1989, ohne die russische Sprache zu beherrschen. Danach organisierte er weitere Austauschreisen in beide Richtungen und war immer seltener an der Universität zu finden. Das Thema seiner Diplomarbeit suchte er sich selbst: es ging um Möglichkeiten, den Ertrag der Stickstoff bindenden und den Boden verbessernden Luzerne im ökologischen Landbau in Russland zu optimieren.
Sein Betreuer Prof. Wolfgang Zech – mit dem es in Bayreuth ein Wiedersehen gab – hatte ihn damals mit der Note 3 bedacht unter der Auflage, „bloß nicht in die Forschung zu gehen“. Diesen Rat hat Stefan Dürr beherzigt. Nach der steilen Aufstiegsphase seines Unternehmens seit dem Beginn des Jahrtausends kam er nun aber mit dem Wunsch nach Bayreuth, die Forscher zu sich zu holen. Jetzt sei es an der Zeit, sich um Fragen der Nachhaltigkeit zu kümmern: Wie lassen sich Düngemittel sinnvoller einsetzen, wie einsparen? Wo sind Naturschutzflächen sinnvoll? Dies zu erforschen lud er die Bayreuther Geoökologie-Studierenden und Dozenten herzlich ein.
Der Besuch bei der Alma Mater hat sich für alle Seiten gelohnt, vieles konnte aufgefrischt oder neu angeregt werden: einerseits alte Bekanntschaften und der Blick auf die sich wandelnde Universität Bayreuth, andererseits die Perspektive auf die russische Politik sowie Ideen für neue Berufs- und Forschungshorizonte. Und, nicht zu vergessen, die Diplomarbeit von 1993: das im Archiv der Uni gelagerte Original nimmt Stefan Dürr mit nach Russland, in Bayreuth bleibt eine mit modernster Technik gescannte und gedruckte Version, die jetzt auch im Internet zu finden ist.
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Die Veranstaltung wurde gefördert durch BcG Alumni e.V.
Organisation: Stefan Peiffer / Birgit Thies
-> Rückblick der Universität zum Jubiläum-> komplettes Programm des UBT-Jubiläumswochenendes als PDF
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